FAVA KIEVE 

Jewelry collection

Issued 

2021

Jewelry collection for Numbered Magazine Issue Nr. 2 // RENAISSANCE / Skateboarding Culture

together with

Augusta Opfermann-Müller, Venus Nemitz and Fritz Adamski

Shot in Sao Paulo

Photos: Timothy Schaumburg

Styling: Ana Wainer

http://numbered-magazine.mozello.com

https://www.instagram.com/numberedmagazine/ 

CLASH DE CARTIER- THE OPERA

Marketing Event

Opera and Dinner to present the jewellery collection of Cartier´s Clash de Cartier. 

Private event with 350 invited guests.

Costume design, assistance flower design and assistance art direction:

Anna Philippa Müller

Aristic Direction: Tilman Kanitz

Project Management: Henok Tsehaye

Project Management Assistance and Flower Design: Rebecca Ilse

Recherche gefördert durch den Fond Darstellende Künste 2022

Text zu dem Vorhaben

Anti-Kampfanzüge. Über verborgene Aspekte militärischer Kleidung

Wir befinden uns im Krieg. Es gab keine Zeit, in der das neuzeitliche Europa sich nicht im Krieg befunden hat. Krieg ist ein integrales Moment des Kapitalismus. Das Wirtschaftswunder, oder die Trente Glorieuses, wie in Frankreich die Zeit nach dem 2. Weltkrieg genannt wird, waren keine Zeit des Friedens. Sie bedeuteten Krieg überall auf der Welt, geführt von europäischen Armeen, mit europäischen Waffen, für europäische koloniale Interessen. Wir exportieren Krieg. Jetzt kehrt der Krieg zurück an den Rand seiner alten Heimat Europa. Dabei ist Kiew nur 2500 Km näher als Damaskus. Diese Rückkehr wird begleitet von einer merkwürdigen Diffusion der Ästhetik des Krieges in unsere zivile Welt: einer Faszination für Kriegsgerät, Jeeps, Stärke und heroische Inszenierungen.

Ich möchte die Bekleidung der Krieger (es sind fast immer Männer) untersuchen und in ihr die Anteile des Anti-Kriegers markieren und intensivieren: der Schwäche, der Konfliktvermeidung, der Angst und der Sorge um den Körper. Indem ich diese Aspekte zunächst konzeptuell und dann praktisch betone, werden aus Kampfanzügen Anti-Kampfanzüge. Ich suche nach Stellen an denen der Krieg sich gegen sich selbst auflehnt. Dazu konzentriere ich mich auf drei über Bekleidung vermittelte Überlebensstrategien, die das Militär aus der Tierwelt übernommen hat: Tarnung, Abschreckung und Panzerung. Zwei von ihnen sind rein ästhetischer Natur, die dritte hat zumindest einen starken ästhetischen Ausdruck. Das Interessante an den ersten beiden Strategien ist, dass sie häufig dazu dienen, einen Konflikt zu vermeiden. Zeugnisse des Krieges erzählen uns, wie Soldaten oft nur an wenigen Schlachten teilnehmen, aber nächtelang in Angst leben und hoffen, auch morgen keinen Feindkontakt zu haben. Ich will damit experimentieren diese ästhetischen Elemente des Anti-Kriegers zu steigern, um das Bild des Kriegers in seiner Funktion zu stören, “stolpern” zu lassen, wie Alexander Kluge sagt.

Erster Ausgangspunkt meiner Recherche wird die Schlitztracht der Landsknechte im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts bis in die 1530er Jahre. Sie nahmen ihren Ausgangspunkt im Italien des 14. Jahrhunderts und waren dann vor allem ein Phänomen des deutschsprachigen Raums, verbreiteten sich aber rasch über kulturelle Grenzen hinweg im gesamten Alpenraum. Die Landsknechte trugen zerschlitzte Kleidung mit starken Farbkontrasten, Streifen, Schlitzen und wehenden Fetzen. Die Schlitze deuteten Verletzungen durch Lanzen oder Schwerter an und erzeugten den Eindruck eines gleichsam untötbaren Veteranen. Sie sprachen eine Warnung aus. Gleichzeitig tarnten sie die Soldaten, indem der Kleidkörper zergliedert wurde.

Sie verundeutlichten die Körperkonturen, hatten gar die Effekte optischer Täuschungen und erschwerten es so, auf die Soldaten zu zielen. Aus der Ferne sah es häufig so aus, als marschierten mehr Soldaten, als da tatsächlich waren.

Bemerkenswert dabei ist, dass Söldner wie Reisläufer und Landsknechte eine Art Freiheit verkörpernde modische Avantgarde bildeten und die Schlitztrachten bald darauf in ziviler Mode adaptiert wurden. Dabei möchte ich auch verstehen, wie die Adaption vor sich ging, was diese Adaption motiviert hat und was sie auszeichnet. Was ist das spezifisch Zivile an einer Bekleidung, die auf einem militärischen Prinzip beruht? Überdies möchte ich klären, wie sich der geschlechtliche Aspekt in den Kampfanzügen und ihren zivilen Pendants niederschlägt, und wie er sich aufweichen oder umkehren ließe.


Im Zuge meiner Recherche möchte ich, neben dem Studium in Bibliotheken, den Alpenraum bereisen und Exponate der Schlitztrachten studieren. Stationen werden unter anderen das Armeemuseum in Ingolstadt mit zwei herausragenden Landsknechtsuniformen, das Zeughaus in Graz, weitere Sammlungen, sowie viele kleinere kunsthandwerks- und heimatkundliche Museen in der Schweiz und Italien sein. Dabei interessieren mich vor allem materialkundliche und räumliche Aspekte, die Kataloge nicht abbilden können. Dieser Teil der Recherche wird circa einen Monat umfassen. Dann möchte ich die Spuren dieser drei Strategien in die Tierwelt zurückverfolgen und sie militärgeschichtlich bis in die Gegenwart rekonstruieren. Außerdem möchte ich sie über die kulturellen Grenzen Europas hinweg erforschen. Bereits bei den Schlitztrachten zeigt sich Militärkleidung entgegen dem Versuch sie in Nationalarmeen zu bannen als transkulturelles Phänomen. Abschließen möchte ich meine Recherche mit Experimenten zu Schnitten und Anfertigungen in meinem Berliner Atelier. Dabei möchte ich die erfassten Strukturen steigern, rekombinieren, pazifieren und in die Gegenwart überführen. Ich möchte Objekte erschaffen, die ihre militärischen Funktionen soweit steigern, bis sie Funktionslos werden: Anti-Kampfanzüge. Ich werde aber auch Prozesse erleben, von denen ich jetzt noch nicht sagen kann, was sie sein werden. Ich erhoffe mir dabei zunächst ein größeres Verständnis transkultureller vestiärer Adaptionsprozesse. Außerdem will ich die Möglichkeiten verstehen, selbst durch kostümbildnerische Praxis auf die politischen Prozesse und die Zerstörung unserer Welt zu reagieren. Bei einer vergangenen Arbeit für den Film empfand ich es als furchtbar, sich nicht als Ensemble mit dem plötzlich eintretenden Krieg auseinandersetzen zu können und einfach weiter dieses oder jenes Outfit bereitstellen zu müssen, genauso, wie wir es zwei Wochen zuvor getan hatten, als wäre nichts gewesen. Solch eine Recherche könnte einen Raum eröffnen, der mir in der projektbasierten Arbeit in der Regel nicht gewährt wird. Im besten Fall gelingt mir eine Intervention in die Ästhetik des Krieges.

Für die Recherche lege ich mir eine Nachhaltigkeitsklausel auf, der ich auch bei anderen Arbeiten folge. Ich werde soweit möglich mit bereits existierenden Kleidungsstücken, deren Zerlegung, Rekombination und mit Stoffresten arbeiten.

Neue Erkenntnisse zum Verhältnis von Kleidung und Körper / Fazit 

 

Kleidung auf den Körper hin denken. Oft begreifen wir Kleidung und im besonderen Kostüme im Paradigma der Repräsentation. Es  zeigt Status, Geschlecht, Wohlstand, Herkunft, Zugehörigkeit etc. an. Während meiner Arbeit an den Schlitztrachten, erfuhr ich durch das zerschneiden und verletzten des Kleidkörpers, ein Gefühl wie ein verletzen des Körpers selbst. Ich hatte das Gefühl, direkt in das Fleisch zu schneiden. Damit zeigten sich mir umgekehrt die Schlitztrachten als ästhetische Repräsentation eines verletzten Körpers. Eine ästhetische Strategie der Bewältigung und der Trauer. Von da aus ermöglichte mir diese Arbeit  zu versuchen Kleidung nicht mehr als Form symbolischer Auskunft über die sie tragenden Person zu denken, sondern sie im Verhältnis zum Körper zu begreifen. Oder genauer, eine jeweilige Kleidung als Ausdruck eines bestimmten Verhätlnisses zum Körper zu verstehen. In Militärbekleidung und Rüstungen spitzt sich zu, was für alle Kleidung gilt: Sie schützt und unterstützt den Körper in seiner Zerbrechlichkeit. In seiner Verletzbarkeit und der Tatsache, dass er oft schon verletzt wurde, ob biographisch oder gattungsgeschichtlich-historisch. Alle Kleidung ist Schutzkleidung. Diese Erkenntnis möchte ich in zukünftigen Stücken bearbeiten und das Kostüm nun umso mehr als zweite Haut verstehen. 

In dem praktisch handwerklichen Teil meiner Arbeit nahm ich unmittelbar Bezug auf die Verhältnisse um 1530, in denen die Kleidung vor allem vom Secondhandmarkt, dem sogenannten Kleiderkreisel und Vererbung bestimmt war. Das Textil war zu dieser Zeit wertvoller als die Fertigung der Kleidung, was die Menschen dazu veranlasste, Kleidungsstücke immer wieder auf neue Besitzer und neuer Mode anzupassen, anstatt sie komplett neu herzustellen. 

Diese Praktik übernahm ich, indem ich fast ausschließlich mit bereits existierenden zeitgenössischen Kleidungsstücken arbeitete und diese umarbeitete. 

Dabei eröffnete sich mir ein weiterer ganz neuer Themenkomplex, den ich gerne auch noch in weiteren Studien vertiefen würde. 

Ich bemerkte, dass die Identität tragenden Merkmale unserer zeitgenössischen Bekleidung selbst zu mittelalterlichen Gewandformen ihren Verweischarakter behalten und immer wieder neue Assoziationsräume eröffnen.

Identitäten und Körperbilder werden durchsichtig, als ein in einem kollektiven, von Konflikten und Geschlechter- und Klassenkämpfen geprägten Geschehen geformtes intersektionales Produkt. Risse, Konfliktlinien und Möglichkeiten werden durch die Überlagerung verschiedener Bedeutungsebenen sichtbar und ermöglichen so die Äußerlichkeit der geschlechtlichen Zuschreibung von “natürlichen” oder “angemessenen” neu zu denken. 

Während meiner Besuche der verschiedenen Museen in Deutschland, Österreich und Italien erlangte ich zu einer weiteren wichtigen Erkenntnis, die ich ebenso gerne in weiteren Studien vertiefen würde.

Ich musste feststellen, dass es starke Unterschiede gab, wie ein Kunstwerk auf mich wirkte, je nachdem, wie es präsentiert wurde. Ich habe mir z.B. u.a. Gemälde von Lucas Cranach d.Ä. im GNM in Nürnberg, im Kunsthistorischen Museum in Wien, in den Uffizien in Florenz und in der Villa Borghese in Rom in einem relativ kurzen Zeitraum angesehen und festgestellt, dass ich mal das Gefühl hatte das Bild gehört in diesem Moment auch mir, erzeugt mit dem ganzen Raum eine Stimmung und ich kann in es eintauchen und mal war da eine große Distanz und das Bild so abgedichtet, als ob ich es auf einem Bildschirm sähe. Dabei war immer klar, dass es wenig mit der unterschiedlichen Qualität der Gemälde zu tun hatte oder meiner jeweiligen Stimmung, sondern wie sehr der Ort im Hinblick auf die Exponate gestaltet war und ob ich überhaupt eingeladen war, an einem Ort zu verweilen. Mit der Aufführungspraxis des jeweiligen Museums also.

Hieraus resultiert die Frage für mich, wie man dies auf Aufführungs-Praktiken, aber auch die Art und Weise, wie man ein kollektives Arbeitsumfeld schafft, übertragen kann.

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